Ein Déjà-vu-Moment
Es war einmal… so beginnen die meisten Märchen. Meins beginnt im Sommer 1991, als ich mit meinem Kumpel Gonzo in den Ferien in meinem Zimmer saß und MTV schaute. Damals lief dort tatsächlich noch Musik, heute kaum vorstellbar. An diesem Nachmittag feierte das Video zu Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ Europapremiere. Wir saßen da, erwartungsfrei, und ließen es auf uns wirken. Nach vier Minuten saßen wir mit offenem Mund da und schauten uns nur an. Ich erinnere mich noch sehr genau, dass ich zu meinem Kumpel sagte: „Die werden richtig groß.“ Wie die Geschichte von Nirvana weiterging, muss ich wohl nicht weiter ausführen.
Was das mit Gloomball zu tun hat? Im Prinzip erst einmal nichts – außer einer Kleinigkeit. Denn als ich „The Distance“ zum ersten Mal hörte, sagte ich meinem Rock-Garage-Kollegen Marco denselben Satz: „Die werden mal richtig groß.“ Und auch hier wäre es fast schon ein Wunder, wenn Gloomball nicht bald durch die Decke gehen.
Wer sind Gloomball?
Die Band stammt aus Mannheim, existiert seit 2010 und hat sich grob dem Alternative Rock/Metal verschrieben. Gitarrist Björn Daigger (Ex-Majesty) beschreibt den Sound so:
„Unsere Palette an Zutaten reicht von Pop bis Death Metal. Es gibt klassische Orchesterparts ebenso wie ultratief gestimmte siebensaitige Gitarren. Stilistische Tabus existieren bei uns nicht.“
Das klingt auf dem Papier nach einem wilden Mix, ist in Wirklichkeit aber erstaunlich homogen. Das Grundgerüst bleibt klar im Alternative Rock mit starkem Metal-Einschlag, die vielen Einflüsse sind geschickt miteinander verwoben. Thrash-Riffs, Pop-Elemente oder orchestrale Parts tauchen immer wieder auf, drängen sich aber nie plakativ in den Vordergrund. Am Ende ergibt das einen Sound, der Fans von Alter Bridge, Creed, Shinedown, Sevendust oder Godsmack sofort abholen dürfte.
Songs, die hängen bleiben
Das Opener-Duo „Overcome“ und „Burning Gasoline“ geht direkt ins Kleinhirn und frisst sich dort fest. Mit „The Distance“ und „Bitter Place“ liefern Gloomball zwei Nummern ab, die absolut radiokompatibel sind, ohne anbiedernd zu wirken. Hier zeigt sich, wie geschickt die Band Eingängigkeit und Härte verbindet.
Auch die Produktion kann locker mit internationalen Maßstäben mithalten. Der Sound ist druckvoll, klar und professionell – Gloomball brauchen sich hinter keiner amerikanischen Band des Genres zu verstecken.
Ein besonderes Ausrufezeichen setzen sie mit dem Cover von „No Easy Way Out“, Robert Teppers unantastbarem AOR-Heiligtum der 80er. Die Umsetzung bleibt nah am Original, verpasst dem Song aber dennoch einen eigenen Stempel. Damit gelingt ihnen genau das, was andere Bands zuletzt versäumt haben – man erinnere sich nur an die katastrophale Version von Bullet For My Valentine.
Fazit
The Distance macht Spaß, rockt wie Hölle, ist fantastisch produziert und liefert genau den richtigen Soundtrack für den Sommer. Freunde von Alter Bridge, Shinedown, Sevendust und Godsmack sollten hier ohne Zögern zugreifen, scheuklappenfreie Metaller zumindest einmal reinhören. Der einzige direkte Vergleich, der mir einfällt, ist Mark Tremontis Soloalbum, das ebenfalls eine ähnlich breite stilistische Bandbreite auffährt.
Mein Eindruck ist klar: Diese Band hat das Potenzial, richtig groß zu werden. Merkt euch den Namen Gloomball – ihr werdet ihn wiederhören. 😉
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Trackliste:
1. Overcome (4:02)
2. Burning Gasoline (4:45)
3. The Distance (5:04)
4. Blown Away And Gone (4:04)
5. More And More (4:50)
6. No Easy Way Out (4:25)
7. Bitter Place (4:42)
8. Long Time Gone (4:04)
9. We Do Belong (3:38)
10. Your Sorrow Inside Me (4:52)
11. Hands In Blood (4:04)
12. Living With My Tender Pain (3:36)
Band: Gloomball
Album: The Distance
Spielzeit: 52:06 min.
Plattenfirma: Steamhammer/SPV
Veröffentlichung: 26.04.2013
Homepage: www.gloomball.com