Amorphis – Borderland – 26. September 2025, Reigning Phoenix Music
Manchmal liegt die wahre Progression in der Reduktion
Nach den aufwendig arrangierten Vorgängern Queen of Time und Halo wirkt das neue Album von Amorphis wie ein bewusster Schritt zurück – oder besser gesagt: ein Schritt nach innen. Borderland klingt direkter, fokussierter und greifbarer.
Schon beim Opener „The Circle“ wird klar: Die Band will Atmosphäre schaffen, ohne sich im eigenen Anspruch zu verlieren. Der Song leitet stimmig ins Album ein, bevor mit „Bones“ und „Dancing Shadows“ die typischen Amorphis-Trademarks übernehmen – starke Melodien, klare Songstrukturen, Growls und Clean-Vocals in perfektem Wechselspiel. „Dancing Shadows“ sticht dabei besonders hervor: eingängig, druckvoll und mit einem Schlagzeug, das endlich wieder Raum bekommt.
Mehr Tiefe durch weniger Bombast
Was sofort auffällt, ist der deutlich gewachsene Einfluss der Keyboards. Santeri Kallio prägt den Sound wie selten zuvor. Manche Fans hat das irritiert – mich nicht. Wenn jemand so viel zum Songwriting beiträgt, darf er auch mehr Präsenz bekommen. Und wer genau hinhört, merkt: Die Flächen stehen nicht allein. Viele Melodien werden von Delay-Gitarren umspielt, die dem Ganzen Tiefe und Charakter geben.
Insgesamt ist Borderland weniger progressiv als die letzten Alben, bleibt aber komplex genug, um spannend zu bleiben. Für mich erinnert das Ganze stark an Tuonela (1999) – ebenfalls ein Album, das damals die Fangemeinde gespalten hat. Songwriting, Atmosphäre, Melodieführung – vieles fühlt sich nach dieser Phase an, nur eben in einem modernen Soundgewand. Und genau das gefällt mir.
Produzent Jacob Hansen hat der Band hörbar gutgetan. Der Mix ist klar, druckvoll und bringt die Band als Einheit nach vorne. Keine überbordenden Orchester-Arrangements, kein Bombast – einfach fünf Musiker, die wissen, was sie tun. Das wirkt authentisch, ehrlich und für mich fast schon oldschool im besten Sinn.
Fazit
Gesanglich liefert Tomi Joutsen wie gewohnt ab – seine Mischung aus warmem Klargesang und wuchtigen Growls bleibt einzigartig. Die Melodien sitzen, die Atmosphäre zieht einen rein. Ich hab das Album mittlerweile rund zehnmal gehört, und es wächst mit jedem Durchlauf. Ob es ein neuer Klassiker wird, kann man noch nicht sagen. Aber es ist definitiv ein starkes Statement.
Auch visuell passt das Gesamtbild. Das Cover mit dem Schwanmotiv schlägt eine Brücke zu älteren Alben und wirkt wie ein stiller Gruß an die eigene Geschichte. Die Bonus-Tracks auf dem Digipak sind ebenfalls lohnenswert und runden das Album ab.
Unterm Strich ist Borderland für mich ein Album, das Amorphis wieder näher zu sich selbst bringt. Weniger technische Spielereien, mehr Gefühl. Weniger Zurschaustellung, mehr Seele.
© Reigning Phoenix Music
Trackliste:
1. The Circle
2. Bones
3. Dancing Shadow
4. Fog To Fog
5. The Strange
6. Tempest
7. Light And Shadow
8. The Lantern
9. Borderland
10. Despair
Bewertung
Zusammenfassung
Reduziertes, atmosphärisches Amorphis-Album mit starkem Songwriting und viel Gefühl. Weniger progressiv als die Vorgänger, dafür ehrlicher, organischer und mit Tuonela-Vibes. Keyboards präsenter, Produktion druckvoll und klar. Kein Klassiker – aber verdammt stark.