Carcass – Surgical Steel (2013, Nuclear Blast)
Spielzeit: 47:01 – VÖ: 13.09.2013 – Stil: Death Metal – facebook.com/OfficialCarcass
Reunions: meistens für den Arsch
Ganz ehrlich: Reunions sind in 90% der Fälle komplett für den Popo. Da reformieren sich ehemals zerstrittene Bands mit Floskeln wie „das Feuer ist zurück“ oder „wir sind gereift“, und am Ende geht’s eh ums liebe Geld. Nichts Verwerfliches – essen und kacken müssen wir schließlich alle. Das Ergebnis ist aber meist überflüssig, austauschbar oder gleich richtig beschissen.
Als Carcass nach 17 Jahren Abstinenz ihre Rückkehr ankündigten, war ich entsprechend skeptisch. Der Grund liegt auf der Hand: Nach den beiden absoluten Genre-Meilensteinen Necroticism und Heartwork kam 1996 Swansong. Der Titel war Programm – für viele ein Ausverkauf, für andere (mich eingeschlossen) immer noch authentisch, wenn auch sperrig. Danach versuchten sich die Jungs mit Blackstar, die den eingeschlagenen Weg zwar weitergingen, aber absolut verzichtbar waren.
Die Richtung ist klar
Umso spannender die Frage: In welche Richtung geht das Comeback? Zurück zu den Wurzeln? In die melodische Heartwork-Ecke? Oder gar etwas völlig Neues? Glücklicherweise Letzteres nicht. Stattdessen haben Carcass ihre Liebe zum thrash-lastigen Death Metal mit Grindcore- und Punk-Einflüssen wiedergefunden. Dazu gesellen sich melodische Parts, die direkt aus der Heartwork-Phase stammen könnten.
Bill Steer prägt die Songs mit seiner unverkennbaren Handschrift, während Jeff Walker angepisst klingt wie eh und je – nur reifer. Eine schöne Geste: Ur-Drummer Ken Owen, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr trommeln kann, ist als Gastsänger vertreten. Freundschaft verpflichtet.
Schlag in die Fresse
Die Produktion von Colin Richardson und Andy Sneap knallt wie die Hölle. Stücke wie „Captive Bolt Pistol“ oder das monumentale „Mount of Execution“ walzen mit unfassbarem Druck nach vorne – Nackenmuskelkater garantiert.
Fazit
Fans der alten Carcass werden Luftsprünge machen. Wem schon vor Swansong alles zu hart war, der wird auch mit Surgical Steel nicht glücklich. Ich brauchte selbst ein paar Durchläufe, bis die Songs gezündet haben – aber wenn sie sich erst mal festgefressen haben, stehen sie den Klassikern in nichts nach. Carcass beweisen einmal mehr, warum sie zu den einflussreichsten Bands der europäischen Extrem-Metal-Szene gehören. Nachahmer werden sich an diesem akustischen Schlag in die Fresse die Zähne ausbeißen.
© Nuclear Blast Records
Wertung
Zusammenfassung
+ Rückkehr zum thrash-lastigen Death Metal mit Grindcore/Punk-Einschlag
+ Bill Steer & Jeff Walker in absoluter Topform – reifer, aber immer noch angepisst
+ Fette Produktion von Colin Richardson & Andy Sneap mit maximalem Druck
– Braucht einige Durchläufe, bis die Songs zünden